Band 2 der chronologisch angelegten und historisch-kritisch bearbeiteten Gesamtausgabe der Werke von Hans Kelsen (1881-1973), dem bedeutendsten deutschsprachigen Rechtstheoretiker des 20. Jahrhunderts und Begründer der "Reinen Rechtslehre", enthält in zwei Halbbänden dessen Habilitationsschrift aus dem Jahre 1911. Mit seinen "Hauptproblemen der Staatsrechtslehre entwickelt aus der Lehre vom Rechtssatze" tritt Kelsen aus dem Schatten der zeitgenössischen Staatsrechtslehre im Besonderen und Rechtswissenschaft im Allgemeinen; in einem Rundumschlag entzaubert er deren Denken in festen rechtlichen Substanzen wie Staat, Gesellschaft, Wille, Mensch mit seinem relationalen Ansatz, der die positivrechtlichen Beziehungen in den Mittelpunkt rückt. Methodenbewusst arbeitet er die Trennlinien einer normwissenschaftlich arbeitenden Jurisprudenz zur Ethik, zur Psychologie und zur Soziologie heraus. Wiewohl seine "Hauptprobleme" noch fast nichts von der erst später entwickelten, dynamischen Konzeption des doppelten Stufenbaus der Rechtsordnung erahnen lassen, legt und erprobt Kelsen hier doch schon die Grundlagen für seine ideologiekritische, die Jurisprudenz an strengen Wissenschaftlichkeitsmaßstäben ausrichtende "Reine Rechtslehre".Grundlage des historisch-kritischen Apparates ist der 2421 Seiten umfassende Autograph der Habilitationsschrift, der in den Jahren 1910 und 1911 dem Verlag J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) als Satzmanuskript gedient hat. Dem Abdruck der "Hauptprobleme" ist eine instruktive, den historischen Kontext ausleuchtende Einleitung von Christoph Schönberger in deutscher und englischer Sprache vorangestellt.