Das alttestamentliche Hohelied der Liebe, eine Hauptquelle poetischen Liebesausdrucks in der mittelalterlichen Literatur, liegt der ersten deutschsprachigen mystischen Dichtung, dem fur Frauen bestimmten St. Trudperter Hohelied, zugrunde. Ausgerechnet die korperhafte, erotische Hoheliedsprache dient den geistlichen Menschen im Kloster als willkommenes Gefass fur den Diskurs uber transzendente Liebe, als didaktisches Medium einer vom Individuum getragenen religiosen Empfindungskultur und als poetischer Anlass, die Fleischwerdung des gottlichen Wortes zu feiern. Mitten aus dieser Spannung zwischen Geist und Fleisch erwachsen vielfaltige Fragestellungen rund um die menschliche Korperlichkeit. Am Leitfaden des St. Trudperter Hoheliedes erschliesst sich gerade aus dem spannungsvollen, nach Bewaltigung drangenden Impuls des Hoheliedes der Liebe heraus ein christlich-monastisches Verstandnis von Welt und Leben, Mensch und Gott, Sprache und Korper, das uns Heutigen die Augen fur eine christliche Phanomenologie von Geist und Korper, Wort und Fleisch zu offnen vermag."