Der liturgische Gesang der abendlandischen Kirche, dieses ehr- wurdige Denkmal altchristlicher Kunst, dessen Ursprunge fur uns in Dunkel gehullt sind, stellt der musikhistorischen Fors. chung noch immer bedeutsame Aufgaben. Ja erst unsere Zeit ist sich ihrer recht bewusst geworden und hat sich ihnen mit erneutem Eifer und unter ueuen Gesichtspunkten zugewandt. Und man hat allen Grund, denen, die sich ihnen mit Ernst und Aufrichtigkeit gewidmet haben - denn auch Leichtsinn und Oberflachlichkeit treiben hier ihr Spiel - dank- bar dafur zu sein, soviel dabei auch geirrt worden ist. Denn uberall giebt es hier Probleme, die durch die wechselseitigen Beziehungen zwischen den problematischen Dingen nur noch verwickelter sind. Ein solches Problem ist die chromatische Alteration in dem liturgischen Gesang der abendlandischen Kirche. Oder genauer gesagt, der Gebrauch, den eine ihm angehoerige l'telodie zugleich von einem chromatisch alterirten Ton und dessen diatonischer Stufe macht, z. B. von Es und E. Das ist aber, soweit ich beobachtet habe, dahin zu beschranken, dass hier die beiden Toene niemals un- mittelbar nach einander folgen. Und ich bemerke ausdrucklich, dass der Ausdruck Chroma, den ich der Kurze halber oefter ange- wandt habe, niemals eine solche unmittelbare Folge bezeichnet. Die beiden Toene, der chromatische und der diatonische oder in umge- kehrter Ordnung der diatonische und der chromatische sind stets durch andere Toene von einander getrennt. Ab melodiebildendes Intervall V- findet der kleine, chromatische Halbton, z. B.