Wunderbar wohlschmeckender Wein auf der Zunge, Todesgeruch in der Nase und den Finger in der Wunde zur Vergewisserung der Botschaft des neuen Lebens: Ausgerechnet das "geistliche Evangelium" enthält ausgesprochen sinnlich-körperliche Erzählungen. Rainer Hirsch-Luipold interpretiert sie als Antwort auf die erkenntnistheoretische Problemanalyse: "Keiner hat Gott jemals gesehen" (Joh 1,18). Vom Gedanken der Fleischwerdung des göttlichen Logos her entwickelt das vierte Evangelium eine christologisch zentrierte Ästhetik des Unsichtbaren. Über Augen, Mund und Nase der ersten Zeugen erhalten die Leserinnen und Leser die Möglichkeit der Wahrnehmung Gottes in der Begegnung mir Jesus. Gemäß der soteriologischen Pragmatik des Evangeliums werden sie dadurch über Gotteserkenntnis und Glauben zum Leben geführt. Ausgehend von drei exemplarischen Erzählungen entwirft der Autor eine Gesamtsicht der literarischen Technik, Pragmatik und Theologie des vierten Evangeliums.