Auf einer kunstlosen Rosettenstele des 4. Jahrhunderts v. Chr. beteuert ein in Athen ansassiger Metoeke, er habe seine fromme Mutter fur alle sichtbar nach goettlichem Recht fromm begraben und erwarte dafur Lob und Anerken- nung (CEG II 533): JlflTI pa E0qKa ooiwc; ooiav TOte; rramv ioef: oOm avO' wv EUAoyiac; Kat Erraivwv a t6c; El)ll Die holprigen Verse verbinden in naiver Weise die beiden leitenden Motive der attischen Grabkunst: das religioese und das oeffentlich-soziale. Es liegt nahe, diese Gesichtspunkte auch auf die Interpretation der attischen Grabreliefs anzuwenden, die den Verstorbenen mit seinen Angehoerigen zeigen. Die Mei- nungen daruber, wie dies geschehen koennte, gehen allerdings im Laufe einer meh als 200jahrigen Deutungsgeschichte weit auseinander. Schon in Goethes Zeit stand neben der Auffassung, die Reliefs seien reine Erinnerungsbilder, die andere, derzufolge sie den verklarten Verstorbenen in seinem Heroon wiedergeben. Die zuletzt genannte Deutung aus dem Geist der christlichen Romantik konnte in der Forschung zwar nie richtig Fuss fassen. Ein religioeses Element lasst sich aber auch heute nicht leugnen, denn die Stelen sind wie die Graber heilige, rituell gepflegte Gegenstande. Auch die Darstellungen auf den Stelen sind keine vom Tode ungetrubten Reprasentationsbilder. Vielfach fin- den sich Anzeichen von Trauer und nicht selten ist der Tote in Stellung und Ausdruck von seinen Angehoerigen geschieden. Auf der anderen Seite besteht kein Zweifel, dass die Grabreliefs auch einen, politischen' Aspekt haben, der Gegenstand von gesetzlichen Bestimmungen war.