2 Verkehr unmittelbar einwirkt, desto mehr sehen sich insbesondere die Ge- richte in allen Zweigen der Gerichtsbarkeit mit mehrsprachigen Texten kon- frontiert. In nahezu jedem Band der hochstrichterlichen Entscheidungssamm- lungen finden sich einschHigige Urteile. Aber nur in seltenen Fallen wird den fremdsprachigen Texten Beachtung geschenkt. Hierzulande unbekannte Ver- tragssprachen werden vollkommen ignoriert. Nur in vereinzelten Eillen geben die UrteilsgrUnde eine methodische Rechtfertigung, warum die fremd- sprachigen Texte entweder auBer acht gelassen oder im Wege einer harmoni- sierenden Auslegung berUcksichtigt wurden. Die Versuchung, den Vertrags- inhalt allein dem deutschen Text zu entnehmen, scheint stets gegeben zu sein: Nur selten wird deutlich, ob ihr bewuBt gefolgt oder widerstanden wurdc. Die Untersuchung hat zwei Grundfragen zu trennen. Sie beziehen sich auf die innerstaatliche Bedeutung eines verbindlichen Textes in deutscher Sprache einerseits sowie auf die Rolle einer deutschen VertragsUbersetzung andererseits. 1st es dem Richter gestattet, seiner Entscheidung ausschlieBlich den verbindlichen deutschen Vertragstext zugrunde zu legen, ohne damit die Gefahr der Verletzung volkerrechtlicher Vertragspflichten heraufzubeschwo- ren? Oder hat er die fUr ihn zum Teil unbekannten Texte in den Auslegungs- prozeB einzubeziehen? Und inwieweit kann er sich bei rein fremdsprachigen Vertragen an die deutsche Obersetzung halten? Die volkerrechtliche Literatur klammert die Fragen der innerstaatlichen Anwendung weitgehend aus. Die staatsrechtliche Lehre vermag dem Richter keine eindeutige Antwort zu geben.