Das Musikschrifttum des Mittelalters ist reich an Begriffen, die sich auf ‚gentes‘ oder ‚nationes‘ wie Itali, Suevi oder Angli beziehen und die Musik bestimmter kultureller Kontexte kritisieren, loben oder einfach beschreiben. Solche Textstellen sind zum einen aufschlussreich für die Tiefen- oder Vorgeschichte des musikalischen Nationalismus, zum anderen liefern sie wertvolle Hinweise auf die geografisch-politische Binnenstruktur der mittelalterlichen Musik, deren regionale Komponenten häufig unterbelichtet blieben. Doch die jeweilige Bedeutung der Nationes- und Gentes-Begriffe ist wegen der starken Interdisziplinarität der Fragestellung bislang nie systematisch untersucht worden. Das vorliegende Buch, das die Ergebnisse eines von der DFG geförderten Forschungsprojektes zusammenfasst, hat sich zum Ziel gesetzt, diese Bedeutung für sämtliche Belege des Musikschrifttums zwischen 800 und 1400, soweit möglich, freizulegen und dabei auch jeweils der Frage nachzugehen, ob, und wenn ja welche, konkrete realhistorische - musikalische oder politische - Anbindung die Verwendung der Gemeinschaftsbegriffe besaß. Dass eine solche Anbindung besteht, ließ sich sogar in mehr Fällen plausibel machen, als zunächst vermutet wurde.