Der "Esopus" des Burkard Waldis (1548) ist die umfangreichste deutsche Fabelsammlung der fruhen Neuzeit. Ihre Bedeutung fur die Gattungsgeschichte der Fabel sowie fur die Literatur der Reformationszeit wurde zwar schon im 18. und 19. Jahrhundert erkannt, doch in der neueren Forschung wurde sie fast vollig ignoriert. Neben umfangreichen Materialien prasentiert die Untersuchung Analysen zur intertextuellen Konstituierung des Erzahlens sowie zur Fiktionalitat der Fabeln. Insbesondere die Fiktionen, die die Fabelfiguren etwa in Form von Lugengeschichten selber erzeugen, und die Instrumentalisierung der Fabel zur Kritik an Wirklichkeitskonstruktionen, etwa der Papstkirche, werden eingehend untersucht. Im Spannungsgefuge von lateinischer Tradition und reformatorischer Weltsicht fuhrt Waldis die Gattung der asopischen Fabel an ihre Grenzen: Das Erzahlen gewinnt gegenuber der Didaxe Autonomie und wird zugleich in seiner Ambivalenz erkennbar."