Um 1190 entstand im bayerischen Pramonstratenserkloster Windberg eine volkssprachliche Versfassung der 'Visio Tnugdali'. Dieser fruhmittelhochdeutsche Text, der die Wanderung der Seele des Ritters Tnugdalus durch das Jenseits schildert, wird hier umfassend monographisch untersucht. Im Mittelpunkt der Arbeit stehen ausfuhrliche Textvergleiche zwischen lateinischer und fruhmittelhochdeutscher 'Visio', wobei sich die Analyse auf die differierende Bewertung von Strafe, Busse und Reue sowie auf die Darstellung von Raum-Zeit-Strukturen und die Sukzession der Erlebnisstationen konzentriert. Ausserdem wird das Entstehungsumfeld von Albers 'Visio' untersucht und der Windberger Handschriftenbestand des 12. Jahrhunderts rekonstruiert. Dabei wird deutlich, dass die eigenstandige geistige Pragung des fruhmittelhochdeutschen Textes nahezu exemplarisch das fur die -neue- Theologie des 12. Jahrhunderts offene geistige Klima im Umkreis des Windberger Skriptoriums widerspiegelt. Daruber hinaus wird jener Text der lateinischen 'Visio' aus Clm 22254 (sowie die Lesarten der ubrigen fruhen Textzeugen) erstmals ediert, der Alber als unmittelbare Ubersetzungsvorlage gedient haben durfte."