Der erste Satz des Grundgesetzes ist kein Glaubenssatz. Als Rechtssatz bedarf er der Rationalisierung; andernfalls droht die Gefahr seiner Dogmatisierung. Sie geht von jenem Absolutheitsanspruch aus, der in ständiger Rechtsprechung und herrschender Staatsrechtslehre zum Dogma erhoben wird: die Würde des Menschen als alleiniges "Konstitutionsprinzip" des grundgesetzlichen Verfassungsstaates gelten zu lassen und als einziges "unabwägbares" Grundrecht von der Geltung des Prinzips praktischer Konkordanz auszunehmen. Die freiheitliche Ordnung des Grundgesetzes ist aber nicht nur auf individuelle Freiheiten einzelner Würdesubjekte gebaut, sondern auch auf die institutionelle Freiheit der politischen Ordnung als ganzer. Eben deshalb gibt es staatliche Schutzpflichten gegenüber der "Gesamtheit aller Bürger", die das Bundesverfassungsgericht in der Schleyer-Entscheidung bejaht, im Urteil zum Luftsicherheitsgesetz jedoch verneint hat. Der vorliegende Band dokumentiert die Vorträge, die auf einer Jenaer Tagung zum "Dogma der Unantastbarkeit" gehalten wurden. Im einführenden Aufsatz der beiden Herausgeber wird die Auseinandersetzung um den Anspruch einer dignitas absoluta, die den gesamten Band durchzieht, aufgegriffen und kritisch kommentiert. Unter den Autoren sind der Berichterstatter im Verfassungsbeschwerdeverfahren gegen das Luftsicherheitsgesetz, ein ehemaliger Vorsitzender Richter des Bundesverwaltungsgerichts und vier namhafte Kommentatoren des Grundgesetzes. Weitere Beiträge beleuchten internationale, europarechtliche, sozialrechtliche, politikwissenschaftliche und philosophische Aspekte des Themas.