1990 war das letzte Jahr der Deutschen Demokratischen Repu blik (DDR). Seit dem Fall der Berliner Mauer am 9. November 1989 war alles rasend schnell gegangen. Nicht einmal zwölf Monate sollten bis zur Herstellung der staatlichen Einheit Deutschlands verstreichen. Die Geschwindigkeit wurde von der DDR-Bevölkerung und ihrem Willen zur grundlegenden politi schen Veränderung bestimmt. Die scheinbar stabile Herrschaft der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) mit dem vermeintlich einheitlichen Gefüge von Partei, Staat und Gesellschaft hatte der revolutionären Volksbewegung nichts entgegenzusetzen; die DDR brach wie ein Kartenhaus zusam men. Binnen kurzer Zeit entstand auf deren Gebiet ein völlig an deres Gesellschaftssystem, gegründet auf der parlamentari schen Demokratie und geprägt von der sozialen Marktwirt schaft. Wer dieses Jahrhundertereignis nur ein Jahr zuvor pro phezeit hätte, wäre als politischer Träumer bezeichnet worden. So erschien vielen Deutschen die plötzlich möglich gewordene nationale Einheit als ein Geschenk des Himmels. Vor allem aber dem Mut und der Entschlossenheit vieler Menschen in der DDR ist es zu verdanken, daß das scheinbar Unmögliche wahr wurde. Die friedliche Revolution beendete die deutsche Teilung. Erfüllt war dadurch der in der Präambel des Grundgesetzes formulierte Auftrag an das gesamte deutsche Volk, »in freier Selbstbestim mung die Einheit und Freiheit Deutschlands zu vollenden«.