English summary: Alfred F. Loisy's "The Gospel and the Church" offers the opportunity to examine the beginnings of Catholic critical scholarship with a view toward the implications of that scholarship for the task of contemporary theology. The book marks a beginning and implies a shift from one intellectual horizon (traditional Catholicism) to another (historical consciousness). In an ecumenical age Loisy's apologetic concerns may be somewhat out of place. His criticism of Protestant liberalism raises the question of whether there is a distinction between the Protestant and the Catholic position. Loisy's objective was twofold: to establish critical scholarship within Roman Catholicism and to work out the implications of that scholarship for the stance of the church within modern society. Carl-Friedrich Geyer tries to assess the Loisy's significance and his understanding of religion as a living fact, not a concept of mind. German description: Jesus verkundete das Reich Gottes, gekommen ist die Kirche - diese einpragsame Formel Loisys wird oft und gerne zitiert, dies meist, ohne um ihre Ambivalenz zu wissen oder das Werk Loisys naher zu kennen.
Der Vertiefung beider Aspekte dient das vorliegende Buch, das auch den Text Loisys in einer deutschen Ubersetzung zuganglich macht. Carl-Friedrich Geyer arbeitet die theologischen Implikationen heraus und konfrontiert die Thesen Loisys mit den gegenwartigen Fragen und Problemen einer Neugewichtung der christlichen Uberlieferung am Beginn des 21. Jahrhunderts. Loisy zahlt zum theologischen Modernismus an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert. Seine in apologetischer Absicht verfasste und eher in kritischer Stossrichtung rezipierte epochale Schrift L'Evangile et L'Eglise verbindet auf faszinierende Weise im Ruckgriff auf ein evolutionistisches Geschichtsdenken die Intentionen der christlichen Uberlieferung seit der Entstehung des Neuen Testamentes mit den Erwartungen der Moderne, unter anderem den Fragen nach einem sogenannten Wesen des Christentums (Harnack). Die Parallelen wie die Differenzen zu Troeltsch Konzeption einer Absolutheit des Christentums sind augenfallig.
Nicht gegen, sondern mit der historisch-kritischen Methode versucht Loisy, die Spannung zwischen transkategorialer, religios-apokalyptischer Verheissung und historischer Verfasstheit kontingenter Religionsbildung zu uberwinden, wobei die Reich-Gottes-Verheissung der urchristlichen Gemeinde und die Utopie einer Religion, welche die peripheren Religionsgebilde transzendiert, nahezu deckungsgleich werden. Brisanz gewinnt diese These gegenwartig im spatmodernen Neben- und Miteinander der Weltreligionen sowie in der Frage nach einer Zukunft des Christentums nach den vielen, nicht nur historisch unabweisbaren notwendigen Abschieden des tradierten und nach wie vor konfessionell gespaltenen Christentums und seiner Theologie. Wie dessen Zukunft aussehen konnte, zeigt Loisys Retrospektive, ein Ruckblick, der zugleich ein Ausblick und eine bedenkenswerte Perspektive darstellt, die ihre Verdeutlichung in der vorliegenden Publikation auch dadurch erfahrt, dass der Text Loisys hier in einer Neuubersetzung vorliegt, die einer weitergehenden Rezeption den Weg bereiten kann.