Vor gut einhundert Jahren unternahm Otto Franke, wahrend seiner Tatigkeit als Dolmetscher an den deutschen Konsulaten und der Kaiserlichen Gesandtschaft in China, mehrere Reisen in das Landesinnere sowie nach Japan, Formosa und Korea. In seinem Nachlass fanden sich Tagebuchaufzeichnungen dieser Reisen sowie Hunderte von Fotografien, die grosstenteils von ihm selbst aufgenommen wurden. Diese Aufzeichnungen werden jetzt, in der Edition seiner Enkeltochter Renata Fu-sheng Franke, in Kooperation mit ihrem Vater, dem Sinologen Wolfgang Franke (1912-2007), erstmals veroffentlicht. Zusammen mit den Fotografien, von denen 190 fur diese Ausgabe ausgewahlt wurden, stellen die Reisetagebucher Otto Frankes ein besonderes zeitgeschichtliches Dokument dar. Sie zeigen nicht nur, dass der spatere Nestor der deutschen Sinologie einen fur die Kolonialzeit recht vorurteilsfreien Blick auf China hatte, sondern sie bilden auch die erste Materialgrundlage fur einige seiner spateren journalistischen und wissenschaftlichen Veroffentlichungen, wie der Anhang mit ausgewahlten Beispielen seiner Reiseberichte in verschiedenen Zeitschriften belegt.
Seine Reisen unternahm Otto Franke vorzugsweise in entlegene, damals noch kaum zugangliche Regionen, wie das Tiantai-Gebirge in der Provinz Zhejiang, die kaiserliche Sommerresidenz im mandschurischen Jehol oder die mongolischen Grassteppen. Seine Begeisterung fur die chinesische Landschaft verband er dabei mit seinem Interesse am Buddhismus, indem er vorwiegend gebirgige Gegenden mit Klostern und Tempelanlagen aufsuchte. Die Reisetagebucher und Fotografien Otto Frankes gewahren einen Einblick in eine heute verschwundene Welt. "Mit der Herausgabe der Tagebuchaufzeichnungen, Reiseberichte und nicht zuletzt dem Abdruck von fast 200 Fotografien kommt den Herausgebern das grosse Verdienst zu, sowohl in kultur- und wissenschaftsgeschichtlicher Hinsicht wichtiges Material erschlossen zu haben, als auch einem allgemein interessierten Lesepublikum vielfaltige Einblicke in das Leben und Reisen in China, Japan und Korea zu Ende des 19. Jahrhunderts zu ermoglichen." Mechthild Leutner in Berliner China-Hefte Themengebiete: Reisebeschreibung, Geographie Chinas, historische Fotografie, Geschichte der Sinologie.