Tag für Tag treten Nichtprominente im Fernsehen auf und geben ihr Privatleben einem Millionenpublikum preis. Diese Selbstthematisierung in der Öffentlichkeit erklärt sich nach der vorliegenden Studie nicht aus dem Bedürfnis einer "exhibitionistisch angehauchten" Minderheit, die "sensationsheischenden" Medienmachern hilflos ausgeliefert ist. Vielmehr steht die Motivation für den Fernsehauftritt in engem Zusammenhang mit dem Wandel unserer Gesellschaft. Im Zuge des Bedeutungsverlustes traditioneller Institutionen (z.B. Kirche und Familie) und aufgrund neuer Sinnorientierungen (z.B. Konsum, Erlebnis, Selbstverwirklichung) hat sich das Fernsehen zu einem Institutionsäquivalent entwickelt, in dem Bekenntnisse abgelegt und Identitäten festgestellt oder zu verändern versucht werden.
In der interdisziplinär angelegten Untersuchung, die auf dreißig Einzelbefragungen beruht, werden zum einen aus psychologischer Perspektive die Beweggründe für einen Fernsehauftritt analysiert. Zum anderen wird aus soziologischer Perspektive eine Typologie der Motivationen zum Auftritt entwickelt, in der sich sowohl der gesellschaftliche Wandel als auch die Funktionen des Mediums manifestieren.
Bettina Fromm ist freiberufliche Medienpsychologin. Von 1995-1997 war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin am psychologischen Institut der Universität Köln und an der Leitung des Forschungsprojektes "Affektfernsehen" beteiligt.