Die Konstruktion bestimmt den Entwurf eines Bauwerkes neben der Funktion, der Wirtschaftlichkeit und der formalen Gestaltung als gleich- berechtigte Komponente. Mitwirkende Faktoren sind daruber hinaus ortliche Verhaltnisse, rechtliche Bindungen, einschrankende Vorschriften, politische Absichten, Neigungen zu Tradition und Prestige usw. Architekt und Ingenieur haben diese Forderungen aufeinander abzustimmen und damit eine schwere und stets neue Aufgabe zu bewaltigen. Es ist oft zu beobachten, dass eine ausgewogene Synthese der vier Hauptkomponenten, die aus verstandnisvoller und sorgfaltiger Zusammenarbeit gleichwertiger Partner hervorgeht, sich sowohl in der Harmonie des Gesamtbauwerkes als auch der Einzelteile deutlich auspragt. Vorbedingung hierzu ist der rechtzeitige Kontakt zwischen Bau-Ingenieur und -Kunstler und deren Fahigkeit, die Arbeitsweise des anderen zu verstehen. Nur so lasst sich der Riss uberbrucken, der in der ersten Halfte des vorigen Jahrhunderts aus dem universellen "Baumeister" zwei spezialisierte Bauberufe wer- den liess.
Diese Spaltung war der Preis fur das Werkzeug "Naturwissen- schaft", das erst die technische Entwicklung des Bauwesens bis zu seiner heutigen Hohe ermoglichte. Die harmonische Gestaltung von Bauwerken ist deshalb jetzt - bis auf wenige Ausnahmen - nur in enger Gemeinschaftsarbeit der Spezialisten moglich. Die modernen Bauweisen haben ihren Ursprung in der allgemeinen Entwicklung der Technik, die, durch die politischen Verhaltnisse begun- stigt, als "erste technische Revolution" bezeichnet worden ist. In jenen Jahrzehnten um die Mitte des vorigen Jahrhunderts forderten einerseits Industrie und Handel sowie Transport und Lagerung wachsender Waren- mengen und die Verkehrsbedurfnisse neue, leistungsfahigere Bauweisen, andererseits konnten Stahl und Zement erst im Zeitalter der Kraft- maschinen in grossen Mengen wirtschaftlich hergestellt werden.