Mit der Auflösung der Sowjetunion und des Warschauer Pakts wird auch das westliche Militärbündnis bald der Vergangenheit angehören, lautete vor knapp zwei Jahrzehnten die Einschätzung führender Vertreter des Neorealismus, jener Denkschule also, welche die Diskussion innerhalb der politikwissenschaftlichen Teildisziplin der Internationalen Beziehungen lange Zeit dominierte. In der Folge entwickelte sich eine im Grunde bis heute nicht entschiedene Debatte über die Gründe des Fortbestands der NATO. Denn das westliche Bündnis löste sich nicht nur nicht auf, sondern nahm neue Mitglieder, vornehmlich ehemalige Gegner, auf und übernahm neue Aufgaben auch jenseits seines Vertragsgebiets. Ulrich Franke greift dieses „Rätsel“ auf und kommt anhand detaillierter Analysen von Verlautbarungen der höchsten Entscheidungsgremien der NATO zu dem Ergebnis, dass es ein Selbstverständnis als wirksamere Vereinte Nationen ist, welches die Verbündeten bereits seit der Unterzeichnung des Nordatlantikvertrages 1949 zusammenhält.