Die anorganische Chemie war das erste Gebiet, an dem sich die Wissenschaft vom Stoff und seinen Verwandlungen versuchte. GroB- artige Entdeckungen und eindrucksvolie Forscherpersanlichkeiten kenn- zeichnen diese Friihzeit der chemischen Wissenschaft. Vom letzten Drittel des vorigen Jahrhunderts an trat dann aber bald das Interesse an dem Gebiet der anorganischen Chemie zuriick. Die Chemie der Kohlenstoffverbindungen begann die Chemiker alier Lander ganz vorwiegend zu beschiiftigen. Sehr brauchbare theoretische Vor- steliungen und die Ausarbeitung einer zweckmiiBigen Laboratoriums- technik leiteten auf diesem Gebiet eine stiirmische Entwicklung ein, die wissenschaftlichen und industrielien Fortschritt in nicht erwartetem AusmaB hervorrief. Erst vor etwa 20 .Jahren begann auch die anorganische Chemie an dieser erfolgreichen Entwicklung wieder teilzuhaben. Wir beobachten gerade in unseren Tagen, wie auf dem Gebiet der anorganischen Chemie wieder Entdeckungen gemacht werden, die der kiinftigen Forschung und der modernen technischen Entwicklung den Weg bereiten. Dieser groBartige Aufschwung der anorganischen Chemie war vor aliem durch drei Voraussetzungen bedingt. Einmal war es die Weiter- entwicklung der Laboratoriumstechnik, die es maglich machte, unter extremeren Bedingungen zu experimentieren, und die ganzen Ver- bindungsklassen so erst zuganglich machten. Zum zweiten lernte man in steigendem MaBe physikalische Methoden zur Verfolgung von Reak- tionen heranzuziehen und zur Kliirung von Molekiilstrukturen zu benutzen. Zum dritten lernte man theoretische Vorsteliung auf an- organisch-chemische Probleme anzuwenden und neue Theorien zu ent- wickeIn, die den komplexeren Verhiiltnissen vieler anorganischer Stoffe gerecht werden.