Der wissenschaftliche Fortschritt der Menschheit manifestiert sich heute am pragnantesten in den Biowissenschaften. Dennoch folgte gerade deren scheinbar groesstem Triumph, der mit Pathos verkundeten vollstandigen Sequenzierung des menschlichen Genoms, sehr schnell eine fur die meisten Zeitgenossen unerwartete Ernuchterung.
Es zeigte sich, dass man in einer einseitigen Fokussierung des Interesses auf das Genom andere, ebenfalls essentielle Elemente der Organismen, die das Genom uberhaupt erst als solches konstituieren, vernachlassigt hatte.
Begrundet ist dies durch historisch bedingte Entwicklungen und durch die Komplexitat des Gegenstands Organismus, welche die begriffliche und modellhafte Erfassung extrem erschwert, womoeglich sogar fur viele unmoeglich macht.
Dennoch halten viele Theoretiker an diesem genetischen bzw. molekularbiologischen Reduktionismus fest und glauben, durch Erganzungen seine Validitat erhalten oder wiederherstellen zu koennen.
Ein anderer Ausweg wird vielfach in Ansatzen gesehen, die unter der Sammelbezeichnung "Kunstliches Leben" bzw. "Artificial Life" zusammengefasst werden. Sie beanspruchen, Leben am Computer zu simulieren oder uberhaupt neu zu kreieren und uber diesen Umweg auch eine neue Sicht des gegebenen, naturlichen Lebens zu ermoeglichen. Durch die Quasi-Neuschoepfung wollen viele Vertreter von "Artificial Life" den Aufbau der Organismen und die verschiedenen Lebensfunktionen erhellen.
Dass solche Anspruche Kontroversen ausloesen, versteht sich von selbst.
Die Autoren dieses Bandes beleuchten die Validitat und Anwendbarkeit sowohl reduktionistischer Ansatze als auch von Artificial Life aus den Perspektiven von Philosophie, Psychologie, Biologie, Wissenschaftstheorie und versuchen, ein moeglichst breites Spektrum an Diskussion und Kritik abzudecken.