Während es noch vor wenigen Jahrzehnten in der westlichen Welt verbreitet war, Religionen als Traditionsbestände zu verstehen, die sich im Prozess der Moderne selbst erledigen, kann diese Sicht einer gleichsam unaufhaltsamen Säkularisierung und Auflösung der Religionen in modernen Gesellschaften heute größtenteils als widerlegt gelten. Die Religionskritik der Moderne ist weithin zur Kritik der Religionen an der Moderne geworden. Religionen und ihre Praxis stehen heute kaum mehr unter prinzipiellem Legitimierungsdruck. Zugleich werden uns aber täglich die Ambivalenz der Religionen und ihre konstruktiven wie destruktiven Potentiale vor Augen geführt. Für pluralistische und liberale Gesellschaften stellt es eine Herausforderung dar, dass sich die lebensleitenden Überzeugungen von Religionen der Überführung in verhandelbare Meinungen widersetzen und die Autonomieansprüche der Moderne sich zunehmend der Kritik der Religionen ausgesetzt sehen. Auch wenn eine grundsätzliche und pauschale Religionskritik heute mit Recht kaum noch Gehör findet, kann nicht darauf verzichtet werden, Kriterien für einen differenzierten Umgang mit Religionen und ihrer religiösen Praxis zu entwickeln, um zu beurteilen, was an ihnen besser und schlechter, akzeptabel und inakzeptabel ist. In den 18 Beiträgen dieses Aufsatzbandes geht es darum, welche religionskritischen Argumente heute noch stichhaltig sind und welche Kriterien sich für den kritischen Umgang mit Religionen und der religiösen Praxis gewinnen lassen.