Ausgehend von der These, dass es sich bei der politischen Lyrik der Gegenwart vor allem um eine Lyrik des Politischen, eine lyrische Streitkultur handelt, wird in „Lyrische Agonistik. Das Politische in Gedichten der Gegenwart“ auf der Basis einer philosophischen ‚neue‘ Rhetorik und mit Rückbezug auf Ansätze der radikalen Demokratietheorie insbesondere von Chantal Mouffe und Ernesto Laclau eine neuartige rhetorische Methode zur Analyse des Politischen in der Lyrik der Gegenwart entwickelt. Grundlegend für diese Methode ist die von sophistischer Rhetoriktradition und radikaler Demokratietheorie geteilte Skepsis gegenüber allen epistemischen Letztbegründungsversuchen. Das Politische in der Lyrik der Gegenwart erweist sich im Kontext dieser beiden Bezugspunkte als die Zurückweisung fundamentaler Gründungversuche, die sich als diskursive Form der Verhandlung einer nur plausiblen, in ihrer Kontingenz stets angreifbaren Politik äußert. Ablesbar wird diese postfundamentalistische Wende in gegenwärtigen Gedichten anhand von rhetorischen Widersprüchen, die auf den unaufhebbaren konflikthaften Charakter des Politischen hindeuten, deren notwendige Gegenseite der ebenso rhetorisch ausgearbeitete Versuch ist, umstrittene Diskurse zugunsten einer nie letztbegründbaren Position zu hegemonisieren. Aufgezeigt wird das dem Politischen eigene Spiel aus Kontingenzerfahrung und Schließungsbemühungen anhand von drei disparaten Textbeispielen politischer Lyrik der letzten zehn Jahre: Tom Schulz’ „Die Maschinen sind volljährig“, Günter Grass’ „Was gesagt werden muss“ und Monika Rincks „was machen die frauen am sonntag?“.