Das lateinische Kaiserreich von Konstantinopel war eine der interessantesten Kreuzfahrerherrschaften. Unter massgeblicher Mithilfe der machtigen Seehandelsstadt Venedig wurde die alte Kaiserstadt Konstantinopel auf dem Vierten Kreuzzug erobert und geplundert. Zugleich entstand hier am Bosporus ein lateinisches Kaiserreich, das sich vergeblich bemuhte, den alten Glanz des byzantinischen Reiches weiterzufuhren. Der Band analysiert am Beispiel des lateinischen Kaiserreichs von Konstantinopel erstmals die Wechselwirkung zwischen Konzeptionen kaiserlicher Herrschaft und grossraumigen Herrschaftsverbunden im oestlichen Mittelmeerraum des 13. Jahrhunderts im synchronen und diachronen transkulturellen Vergleich.
Kaiserlicher Herrschaft ist hinsichtlich Anspruch und Verantwortlichkeitsbereichen grossraumige koenigliche Herrschaft. Moeglicherweise ist die Kombination von hoechsten theoretischen Anspruchen und reellem Pragmatismus ihr zentrales Kennzeichen. Im Mittelpunkt der Analyse steht der Typus des mediterranen Kaisertums, der sich durch die Eigenschaft Multiplizitat auszeichnet und durch die Notwendigkeit, sich intensiv mit anderen Kulturen und anderen monotheistischen Religionen auseinanderzusetzen.
Um das komplizierte Wechselspiel von Handel, Religion und Politik bei der Genese und Ausgestaltung grossraumuberspannender Herrschaft analysieren zu koennen, greift die vorliegende Arbeit auch auf die Denkfigur der imperialen Ordnung zuruck. Der Vorteil dieses Forschungsdesigns liegt darin, die hochkomplexe Realitat des Mittelmeerraums diachron und synchron besser als mit 'Reichskonzeption` fassen zu koennen. Die Untersuchung des lateinischen Kaiserreiches zeigt, dass religioese und kulturelle Differenzen im Bereich des ehemaligen byzantinischen Reiches als ausschlaggebend fur den unterbliebenen Aufbau einer imperialen Ordnung angesehen werden koennen.