Das urbane Zusammenleben beschäftigt die Menschen, seitdem sich Städte e- wickelt haben. Aber es beschäftigt sie trotz aller gesellschaftlicher Veränder- gen offensichtlich weniger in der Alltagspraxis als vielmehr in der Öffentlichkeit und in politischen Debatten. In der Alltagspraxis herrscht trotz eines zunehm- den gesellschaftlichen Wandels eine relativ große Gelassenheit. In der Politik werden dagegen ständig neue Erkenntnisse und Positionen formuliert. Die poli- schen Deutungen weisen mitunter ein recht knappes Verfallsdatum auf. Man bekommt dabei den Eindruck, dass die Bevölkerung letzten Endes den Hera- forderungen oft eher gewachsen ist als zum Beispiel die Politiker. Um das zu erkennen braucht man nur einen Blick auf die einschlägigen Begrifflichkeiten zu werfen. Nimmt man den Begriff „Ausländer“, so wird das Problem schnell deutlich. Nachdem vor allem durch den Mauerbau 1961 die Ost-Westmobilität gestoppt wurde, hat man ganz massiv Menschen aus dem Mittelmeerraum angeworben. Da sie aber nur als zeitweiliger Ersatz für die „Flüchtlinge aus der damaligen DDR“ betrachtet wurden, benötigte man für sie einen spezifischen Begriff, der genau dies zum Ausdruck bringen sollte. Und da der historisch vertraute Begriff des „Fremdarbeiters“ durch den Nationalsozialismus diskreditiert war, schien zunächst der Begriff „Gastarbeiter“ optimal. Er stellte ein dem Nachkriegsze- geist geschuldetes politisch korrektes funktionales Äquivalent dar. Und als dann die „Gastarbeiter“ blieben, wurde daraus der Begriff „Ausländer“, der sich - nächst in der Öffentlichkeit, dann aber auch im Alltag durchsetzte. Der „Gast- beiter“ war ja jetzt nicht mehr automatisch Arbeiter, sondern zunehmend häufig auch Arbeitsloser.