Der Berliner Kunstwissenschaftler Horst Bredekamp hat in den späten 1970er und in den 1980er Jahren den zentralen Sammlungstyp der frühen Neuzeit, die Kunstkammer, wiederendeckt. Er hat die Reduktion der Kunstkammer auf eine unstrukturierte Ansammlung von Kuriositäten und Raritäten, die die ältere Forschung vorgenommen hat, zurückgewiesen und gezeigt, welche grundlegende epistemologische Bedeutung die Kunstkammer tatsächlich hatte und welchem offenen Kunst-Begriff sie verpflichtet war. 'Kunstkammer' gewissermaßen als Denkform: Dieser Gedanke lag dann auch um 2000 seinen Vorschlägen für das Konzept des Berliner Humboldt-Forums zugrunde.Die vorliegende Studie greift die Anregung Bredekamps auf und zeigt einerseits, wie die frühneuzeitlichen Utopien Campanellas, Andreaes und Bacons verstanden werden können als literarische Imaginationen von Kunstkammern in einer gesamtkunstwerkartigen Einheit von Erziehen, Lehren, Forschen und sozialem Leben. Andererseits führt sie diese Überlegung in der Untersuchung vieler Kunstkammerbeschreibungen fort und verfolgt den Weg, den die 'Einheit der Kunstkammer' in den wissenschaftlichen, kulturellen und sozialen Differenzierungsprozessen des 18. Jahrhunderts genommen hat.