Es ist ein anregendes und überaus belehrendes Studium, die Krank heit gewissermaßen bis ins Herz der Zelle hinein zu verfolgen. Wenn unser wissenschaftliches Interesse schon aufs höchste erregt wird durch eine Leichen öffnung, die es uns ermöglicht, die während des Lebens beobachteten Sym ptome auf grobwahrnehmbare anatomische Veränderungen der Organe zurückzuführen, so öffnet die weitere Verfolgung dieser Veränderungen mit dem Mikroskop eine neue Welt, die uns in Spannung versetzt und unserem Erkenntnisdrang Befriedigung verspricht, freilich oft auch Entt. äuschung bringt, wenn wir für die im Leben hervorgetretenen Funktionsstörungen auch mit den allerfeinsten optischen Systemen kein morphologisches Korrelat auffinden können. Wir werden in solchen Fällen lieber der Unvollkommenheit unserer natürlichen Sinne und ihrer künstlichen Hilfsmittel die Schuld beimessen, als zugeben, daß Funktionsstörungen ohne Strukturveränderungen überhaupt denkbar seien. Sehen wir von solchen unbefriedigenden Fällen ab, so ist in der Tat nichts mehr geeignet, das Verständnis der Krankheiten zu fördern, als die Beschäftigung mit pathologischer Histologie. Sie setzt die genaue Kenntnis der normalen Zell-und Gewebsstrukturen voraus, und sie verlangt diese Kenntnis nicht nur für die fertig differenzierten Gewebe, sondern auch für deren embryonale Entwicklung. Die Feststellung und Beschreibung der pathologisch veränderten Struktur darf niemals Selbst zweck sein. Immer muß der Versuch gemacht werden, die morphologischen Veränderungen chemisch oder physikalisch auszudeuten und sie in Beziehung zu setzen zu den funktionellen Störungen. Bei solchen Ausdeutungen läuft der pathologische Histologe große Gefahr, sich in Spekulationen zu verlieren.