Von E. WILDBOLZ In den letzten Jahren ist die Pyelonephritis, vor allem die chronische Pyelo- nephritis, immer mehr in den Brennpunkt des medizinischen Interesses geruckt. Klinische und anatomische Arbeiten zeigen ihr ausserordentlich haufiges Vor- kommen. Sie ist heute die bedeutendste Gruppe der Nierenerkrankungen, ja sie hat sogar die Infektionen der Atemorgane von ihrem ersten Rang in der Haufigkeitsskala aller Infektionskrankheiten bei Spitalpatienten verdrangt. Auch der langsam Reagierende muss sich Rechenschaft davon ablegen, dass hinter der harmlosen Etikette einer chronischen Pyurie, einer chronischen Cystitis, einer Cystopyelitis, einer "empfindlichen Blase" sich oft eine Erkrankung verbirgt, die sich uber Jahrzehnte hinzieht, progredient ist und schliesslich, aller Therapie trotzend, zum Tode fuhrt. Die pyelonephritische Schrumpfniere ubertrifft an Zahl bei weitem alle anderen Schrumpfnieren. Diese Untersuchungen haben ferner ergeben, dass die atypischen Formen der chronischen Pyelonephritis ebenso haufig wie die typischen Formen sind, bei denen die chronische Pyurie auf den Ursprung der Erkrankung hinweist.
Wir mussen also nicht nur diese Pyurien richtig deuten und auslegen, sondern wir mussen auch bei Erkrankungen wie Anamie, Adynamie, Neurose, an den renalen Ursprung der Allgemeinstorungen denken. Durch alle Studien, die sich etwas ausfuhrlicher und eingehender mit der Klinik der chronischen Pyelonephritis befassen, zieht sich wie ein roter Faden die Verzweiflung uber die Ohnmacht unserer Therapie. Die Therapie mit Anti- biotica, die in akuten Fallen so viel Gutes zeitigt und die bei ihrer Einfuhrung die Ausmerzung aller Infektionskrankheiten erwarten liess, versagt.