Autobiographien, besonders wenn ihre Verfasser aus bildungsfemen Schichten stammen, haben von jeher auf ihre Leser eine gewisse Sugge- stion ausgeiibt. Leicht vermitteln sie namlich den Eindruck von 'Geschichten, die das Leben schrieb', also von Produkten eines voraus- setzungslosen Schreibens, das sich nicht in vorgegebenen literarischen Traditionen oder gegen sie artikuliert, sondem neben -quasi extraterri- torial--allen geistesgeschichtlichen und literarischen Referenzen. Schon Ulrich Braker stilisierte sich nach dem Muster: "Ich bin nur ein einfaltiger Laie und schreibe nur meine Gedanken." (Tagebuch 5. Ok- tober 1788; vgl. auch Chronik mrich Braker 1985, S. 329) Nur als solcher glaubte sich dieser kleinbiirgerliche Pauper Zugang schaffen zu konnen zu den damaligen biirgerlichen Bildungsgesellschaften; und nur als sol- cher, als schriftstellerisches Naturtalent, glaubte er in der damaligen li- terarischen Offentlichkeit ein eigenes Terrain abstecken zu konnen. Dementsprechend war die Literaturgeschichtsschreibung eher geneigt, Brakers "urspriingliche Lebendigkeit des Ausdrucks" (Misch IV.2, S. 813) oder die "unverdorbene Naivitat seines Wesens" (Klaiber 1921, S. 94) hervorzuheben, als der Frage nachzugehen, welchen Ein- fluB seine intensive Shakespeare-Lektiire, seine Rezeption zeitgenossi- scher Literatur und insbesondere seine Auseinandersetzung mit Autobiographien von anderen Autoren, etwa von Rousseau und lung- Stilling, auf die Abfassung seiner eigenen Lebensgeschichte ausgeiibt haben.