Die Spatfassung des Marchens von Gockel, Hinkel und Gackeleia (1838) ist eine eigenartige Erscheinung in Brentanos poetischem Spatwerk und im Kontext der zeitgenoessischen Literatur. Es ist der einzige publizierte literarische Prosatext nach Brentanos "Reversion", der nicht auf religioesen Grundlagen beruht. Das Marchen, das in den dreissiger Jahren des 19. Jahrhunderts noch einmal an die romantische Tradition des Kunstmarchens anknupft, ist eine romantische Arabeske in einer Zeit, in der die Romantik sich selbst historisch zu werden anfangt - dem Anschein nach ein verspatetes literarisches Unternehmen. Das vorliegende Buch argumentiert anders. Vor dem Hintergrund des reflexiven Wechselspiels zwischen Wiederaufnahme und Erneuerung, Kontinuitat und Bruch mit dem Erbe der vor- und fruhmodernen Zeit, die die Kultur der dreissiger Jahre in Deutschland pragte, erweist sich Brentanos Marchen als ein moderner und konsequent durchgefuhrter Versuch der literarisch-religioesen "Resakralisierung" - der Neubestimmung einer "Religio" in einer unsteten Zeit. Im Kontext der zeitgenoessischen religioesen Erneuerung der dreissiger Jahre, der zeitgleichen poetologischen Debatte uber das Erbe der Romantik und der poetischen Selbstverortung Brentanos im Bitteren Leiden unsers Herrn Jesu Christi (1833) wird Brentanos Marchen neu bewertet.