"Gott ist die Liebe, und wer in der Liebe bleibt, bleibt in Gott, und Gott bleibt in ihm." Mit diesen Worten beginnt die am 25. Januar 2006 veröffentlichte erste Enzyklika von Papst Benedikt XVI. Eine Enzyklika ist ein Rundschreiben des amtierenden Papstes an die Bischöfe, Priester und Gläubigen der römisch-katholischen Kirche. In ihr behandelt der Papst grundsätzliche und aktuelle Fragen der Glaubensverkündigung oder der gegenwärtigen sozial-politischen Herausforderungen. Eine Enzyklika stellt zwar eine orientierende Verlautbarung des Papstes dar, ist aber keine unfehlbare Glaubensverkündung. Die erste Enzyklika von Papst Benedikt XVI. war mit Spannung erwartet worden. Welchen Akzent würde der neue Papst, Joseph Ratzinger, ein Theologe von hohem Format und Ansehen, zu Beginn seiner Amtszeit setzen? Die Antwort war erstaunlich und einfach: Er weist in die Mitte, in das Herz des christlichen Glaubens - in die Verkündigung der Urbotschaft des Christentums von der Liebe.
Mit dem Satz "Gott ist Liebe". aus dem neutestamentlichen "Ersten Johannesbrief" wird Gott nicht als unnahbarer, unfaßbarer Ursprung des Kosmos verstanden, sondern ganz und gar eingelassen in die konkrete Wirklichkeit der Welt und des Menschen.
Aus der Dynamik menschlichen Liebesstrebens, wie es sich zunächst im Eros zeigt, erwächst der Ausgriff auf eine Endgültigkeit, ja Ewigkeit, die sich erst im Versprechen unbedingter Zuwendung erfüllt. Der erste Teil der Enzyklika führt in diese Gedankenwelt ein und entfaltet - ausgehend von einer Erläuterung der griechischen Wörter für Liebe: "Eros", "Philia" und "Agape" - diesen Bedeutungszuwachs hin zu einer im biblischen Glauben begründeten Einheit von Gottes- und Menschenliebe.
Diese Einheit aber kann nicht im bloß Privaten verbleiben. Sie öffnet sich hin auch zu den konkreten materiellen Nöten und Leiden der Menschen. Davon handelt der zweite Teil der Enzyklika. Darin konkretisiert der Papst die Liebe als "caritas" in ihrem Auftrag zur Fürsorge und zur Mitgestaltung an einer Lebensordnung, die von Gerechtigkeit und Frieden geprägt.