In der Antisemitismuskritik insbesondere nach dem Zweiten Weltkrieg wird Fichte vielfach eine zentrale Rolle zugedacht: nämlich als dem Angelpunkt des Umschlags vom religiösen Antijudaismus zur politischen Judenfeindlichkeit. Diese Sicht, die sich im Wesentlichen auf eine Äußerung in einer Frühschrift des Philosophen von 1793 stützt, hat — so die These des Buches — dessen weitere Entwicklung, wenn überhaupt, dann nur völlig unzureichend zur Kenntnis genommen. Für überraschend viele jüdische Zeitgenossen, seine jüdischen Studenten voran, ist Fichte der wegweisende Philosoph der Epoche gewesen. Die weitere, gerade jüdische Rezeptionsgeschichte seines Werkes belegt bis ins Dritte Reich hinein eine erstaunliche, bislang in diesem Umfang nicht zur Kenntnis genommene Affinität des Judentums zu Fichte. Dabei erweisen sich Fichtes Reden an die deutsche Nation — für viele sicherlich überraschend — gerade für den Zionismus als beispielhaft für jedes Volk im Werden und für das jüdische allemal. Auch die französische Fichte-Rezeption — ebenfals dort ist die jüdische prominent vertreten — hat, die Zeit des Grande Guerre ausgenommen, bis zu Beginn des Zweiten Weltkrieges in Fichte vor allem den Erben der Freiheitsversprechen von Aufklärung und Revolution in Frankreich gesehen.