Der Begriff der 'Demut' ist täglich in unserem politischen, kulturellen, intellektuellen und religiösen Leben präsent. Haben wir es hier mit der Wiederkehr einer christlichen Tugend oder mit dem Versuch zu tun, ein inter-religiöses Ethos zu installieren, das auch in nicht-christlichen Kulturkreisen bekannt ist? Was bedeutet die inflationäre Verwendung des Demut-Begriffs? Eve-Marie Becker begibt sich zunächst auf eine kulturgeschichtliche Spurensuche zum Gebrauch und Missbrauch des Begriffs der Demut. Sie führt dann zurück zum begrifflichen und konzeptionellen Ausgangspunkt der ταπεινοφροσύνη, der bei Paulus liegt. In seinem letzten Schreiben aus römischer Haft fordert der Apostel seine Adressaten in Philippi zu einer Gesinnung der Demut auf (Phil 2,3).Die exegetische Studie zu Phil 2 und den verwandten Texten im Corpus Paulinum deckt auf, wie Paulus im Bereich gemeindlicher Ethik mit dem Konzept der Demut jenseits von traditioneller Moral Möglichkeiten des kommunitären Denkens und Handelns eröffnet. Von Paulus ausgehend unternimmt die Autorin den Versuch, anthropologische und moralistische Engführungen des Begriffs, die unsere Kulturgeschichte hartnäckig durchziehen und den Blick auf Paulus verdunkeln, aufzubrechen und zu lernen, wie paulinisches Reden über Demut christliche Ethik und Ekklesiologie in ihren Anfängen begründet. Es wird diskutiert, ob die Demut sachlich zu Recht in der Zeit der Alten Kirche als ein identity marker der Christen verstanden wurde und wieweit sich diese Beschreibung bereits auf Paulus und Phil 2 zurückbeziehen kann.