Als die Sowjetunion unterging, erhielt die historische Forschung Zugang zu bislang verschlossenen Archiven. Jetzt waren Zeugnisse der sowjetischen Geschichte zuganglich, die von Gewaltherrschaft und Terror, von Alltag und Lebenswelten in Stadt und Land, von nationalen Selbst- und Fremdbildern, von Wirtschafts- oder Aussenpolitik handelten. Diese "Archivrevolution" war Bestandteil der Untergangsgeschichte des sowjetischen Imperiums. Das neue Russland begann seit der zweiten Halfte der neunziger Jahre - und zumal unter Prasident Vladimir Putin - den Zugang zu den Archiven erneut zu reglementieren. Neue Archivgesetze haben zur Ernuchterung in der Geschichtswissenschaft gefuhrt und zu einer Debatte uber Moeglichkeiten und Grenzen der postsowjetischen Archivlandschaft angeregt. Ausgehend von einer durch die Herausgeber initiierten und durch die Deutsche Gesellschaft fur Osteuropakunde gefoerderten Fachtagung konnten namhafte russische, amerikanische und deutsche Autoren gewonnen werden, die mit Blick auf die oben genannten Themengebiete uber ihre Erfahrungen in postsowjetischen Archiven, uber neue, bislang ungenutzte Bestande, uber Arbeitsmoeglichkeiten und Forschungsperspektiven berichten. Gerade der letzte Aspekt ist angesichts der gegenwartig schwer uberschaubaren Archivlandschaft von besonderer Bedeutung. Vor diesem Hintergrund rundet eine Synthese den Band ab, in der Impulse und Hinweise fur weiterfuhrende Studien zur Sowjetgeschichte gegeben werden.