Die in der Anthologia Palatina überlieferte Gedichtsammlung der Carmina Anacreontea hat trotz ihrer reichen Rezeption (zahlreiche Übersetzungen in moderne Sprachen, Nachdichtungen, künstlerische Umsetzungen) in der Forschung bislang wenig Aufmerksamkeit erfahren. Der Grund ist eng mit der Echtheitsfrage der Gedichte verknüpft: Während die 60 Gedichte lange als authentische Dichtung des archaischen Lyrikers Anakreon gelesen wurden, gelten sie heute aus sprachlich-stilistischen Gründen als kaiserzeitliche Nachahmungen anakreontischer Lyrik, die von verschiedenen Autoren zwischen dem 1. und 6. Jahrhundert n.Chr. verfasst wurden. Unter Rückgriff auf neue Forschungsansätze zur kaiserzeitlichen Lyrik und mit Hilfe verschiedener rezeptions- und wirkungsästhetischer Methoden versucht der vorliegende Band, die Carmina Anacreontea sowohl als Sammlung wie als Einzeldichtungen in ihre literarische Tradition einzuordnen und Besonderheiten der Sprache, Metrik, Poetologie, Intertextualität und Rezeption herauszustellen.