"Busse" wie auch "Sende" sind in den Ohren vieler Menschen Reizworte. Damit verbinden sich haufig Vorstellungen von Unterdreckung, Ausgrenzung oder Leibfeindlichkeit. So ist es auch wenig eberraschend, dass die Praxis eines liturgischen, regelmassigen Sendenbekenntnisses im Rahmen des Sonntagsgottesdienstes unter Generalverdacht geraten ist. Ist das aber wirklich der einzige Grund, weshalb die Prasenz eines "Bussakts" im Gottesdienst seit einigen Jahrzehnten zunehmend als fragwerdig betrachtet wird?In theologischer Perspektive liegen die Grende fer diese "Bussvergessenheit" primar woanders, namlich in jenem anthropologisch-expressiven Gottesdienstverstandnis, das auf Schleiermacher zureckgeht und die heutige evangelische deutschsprachige Liturgik weitgehend pragt. Erst eine Infragestellung dieses Modells sowie eine Wiedergewinnung des - reformatorischen und "katholischen" - pneumatisch-formativen Gottesdienstverstandnisses kann ermoeglichen, dass "Busse" (Umkehr) erneut als eine wesentliche Dimension der gottesdienstlichen Handlung wahrgenommen wird: Im Gottesdienst handelt Gott an den Menschen durch Handlungen, die Menschen vollziehen, und wirkt in und durch die Liturgie re-orientierend ("metanoetisch") auf die versammelte Gemeinde. Dies trifft zwar auf den Gottesdienst als Ganzes zu, aber die "Umkehrliturgie" ist der Ort im Gottesdienst, an dem die metanoetische Dimension besonders deutlich und pragnant in den Vordergrund tritt. Die Argumentation zugunsten dieser zweifachen These (Gottesdienst als pneumatisch-formatives Geschehen; Metanoia als Wirkung des Gottesdienstes) wird in Dialog mit alteren und neueren liturgietheologischen Entwerfen aus dem deutschen und angelsachsischen Sprachraum sowie durch die Auslegung einer klassischen reformierten Bussliturgie (Genf/Strassburg 1542) entfaltet. Daraus gewinnt der Verfasser Erkenntnisse, die in die materialliturgischen Analysen bezeglich des Vollzugs liturgischer Busse einfliessen, welche die Studie abrunden.