Für die Lutherische Orthodoxie war theologische Konsensbildung ein zentrales Anliegen. Wie ein solcher Konsens am besten zu erreichen sei, blieb allerdings umstritten. Ausgehend vom Beispiel der Universität Wittenberg und einem bislang unerforschten Quellenbestand von ca. 3.000 Disputationsdrucken untersucht Kenneth G. Appold, wie lutherisch orthodoxe Theologen das akademische Disputationswesen benutzt haben, um theologischen Konsens auf Basis freier intellektueller Zustimmung statt durch äußerliche Disziplin und Bekenntniszwang zu erreichen. Er stellt die institutionellen Rahmenbedingungen des Disputierens an der Wittenberger Theologischen Fakultät in der frühen Neuzeit sowie die Breite der theologischen Disputationsthemen dar und analysiert eingehend Disputationen zum Thema der Ekklesiologie. Der Konsens, so das Ergebnis der Untersuchung, der oft nach außen vorgehalten wurde, ermöglichte innerhalb der Universität akademische Freiheit und fungierte dabei auch als Resistenzfaktor im aufstrebenden landesherrlichen Absolutismus. Es entsteht ein Bild der Lutherischen Orthodoxie, welches in bislang unbekanntem Maße von geistiger Dynamik und innerer Pluralität geprägt ist.