Flavius Ricimer spielte von 456 bis 472 als Militar und Politiker eine zentrale Rolle in der Geschichte des Westroemischen Reiches. Als Heermeister war er eingebunden in ein Beziehungsgeflecht machtpolitischer Akteure (Kaiser, Armee, Senatsaristokratie, Kirche, germanische gentes, Ostroemisches Reich), die im Westreich um Einfluss und Autonomie stritten. Ricimer vermochte unter diesen Rahmenbedingungen Italien und seine dortige Machtstellung zu sichern, konnte aber die Aufloesung des Westreichs in den ausseritalischen Gebieten nicht verhindern. Bei der Ausubung seiner Macht orientierte Ricimer sich - noch ganz in roemischen Kategorien agierend - an seinen Vorgangern Stilicho, Fl. Constantius und Aetius, prafigurierte aber gleichzeitig bereits die ihm in Italien nachfolgenden germanischen Herrscher Odoaker und Theoderich. Die Arbeit verbindet eine biografisch-ereignisgeschichtliche Untersuchung von Ricimers Karriere mit einer Untersuchung der strukturellen Rahmenbedingungen seiner Machtposition und Reichspolitik in der zweiten Halfte des 5. Jahrhunderts.