Die vorliegende Untersuchung zum Motiv des Kindes und des jungen Helden bei Kallimachos thematisiert zentrale Aspekte der Kallimacheischen Dichtung: ihre intertextuelle Dimension, die sich in der Bezugnahme sowohl auf die literarische Tradition als auch auf zeitgenossische Texte manifestiert, ihre narratologischen Strategien und ihr poetologisches Potential. Die 'Verjungung' der 'alten' Gestalten des Gotter- und Heroenmythos lasst sich als aitiologische Strategie erklaren, die der alexandrinische Dichter in innovativer Weise zur Erneuerung der literarischen Tradition einsetzt. Ein reprasentativer Querschnitt durch das Gesamtwerk des Kallimachos macht anhand der jugendlichen Figuren thematische Parallelen und Kontraste zwischen jeweils korrespondierenden Texten sichtbar: Theseus in der "Hekale" steht Herakles in der "Victoria Berenices" gegenuber, Teiresias im funften "Hymnos" kontrastiert mit Erysichthon im sechsten "Hymnos", und die gottlichen Kinder der ubrigen "Hymnen" treten miteinander in Konkurrenz.
Abschliessend wird am Beispiel der fiktiven Selbstdarstellung des Erzahlers als Kind und als Jungling im "Aitien-Prolog" und im "Somnium" aufgezeigt, wie Kallimachos mittels vergleichbarer aitiologischer Strategien seine eigene Position innerhalb der griechischen Literaturgeschichte definiert.