Todliche Infektionskrankheiten sind unheimlich. Sie re- spektieren keine staatlichen und keine ideologischen Grenzen. Das Virus verbreitet sich iiber Afrika, Amerika, Europa ... Ob in westlich-kapitalistischem Exhibitionis- 1 mus oder in ostlich-sozialistischer Heimlichkeit - das Vi- rus findet seinen Weg. Wegen ihrer IntemationalWit eignet sich die Infektion auch kaum zur Rassendiskriminierung. All dies galt und gilt fUr Pest und Pocken, Malaria, Chole- ra und Hongkonggrippe ... Sofem - wie bei AIDS - die Verbreitung des Virus wesent- lich mit bestimmten Lebensformen verkniipft zu sein scheint, bliiht wenigstens eine Zeitlang die Diffamierung ungeliebter Randgruppen, etwa der Homosexuellen, der Fixer und der Prostituierten. Ihnen zahlt die Natur nun ih- 2 ren liederlichen Lebenswandel heim, glauben manche - Bis die Krankheit solche irrationale Verdrangung Liigen straft und zeigt: Vor dem Virus sind aile Menschen er- schreckend gleich. Das Virus tut im Laufe der Zeit vielfaltige Wirkung. Im Gesundheitswesen fiihrt es zu Kongressen. Forschungsgel- 1 Nach Auffassung der Sowjetunion noch im Herbst 1985 sei AIDS eine Folge der westlichen Unmoral, der hier herrschenden, ge- schlechtlichen PerversiHit" - Siiddeutsche Zeitung v. 7.0ktober 1985, S.10: Aids ist ein soziales Problem. Inzwischen sind aber so- wohl in der UdSSR als auch etwa in Polen Fiille von AIDS-Infek- tionen bekannt geworden - vgl. Siiddeutsche Zeitung v. 1. April 1986, S. 12: Erste Aids-Stellungnahmen der Ostblockstaaten. 2 So etwa der US-Fernsehkommentator P.J.Buchanan 1983- vgl.