3938476125KurztextBehalten Sie Ihren Bettnachbarn im Auge.
Am besten rund um die Uhr
Alex verliert im Zug das Bewusstsein. Als er aufwacht, liegt er dort, wo er nie wieder hin wollte: Im Krankenhaus, das jetzt für ihn zum Ort der Katharsis wird. Nicht nur, weil ihm eine risikoreiche Muskelverpflanzung bevorsteht, es quält ihn, dass er keine Nähe zulassen kann - und nun ist er mit der Ursache konfrontiert. Ein bisschen viel für Alex. Zu viel, wenn der Bettnachbar Clemens heißt, denn Clemens hat kein Gesicht. Man kann nicht erkennen, was gerade in ihm vorgeht.
Als Alex eines Nachts aufwacht, sitzt Clemens dicht vor seinem Bett. Offenbar beobachtet er Alex im Schlaf. Zwischen den Bettnachbarn beginnt ein subtiler Kampf auf Leben und Tod.
3938476125AutorenporträtMatias Grzegorczyk wurde 1965 in Wiesbaden geboren. Nach einer Fotografenlehre in Kiel, studierte er Kommunikations-Design in Mainz und arbeitete anschließend als Texter für namhafte Agenturen in Frankfurt, Düsseldorf und Hamburg. Zurzeit ist er freiberuflich tätig, unter anderem als Dozent der Texterschmiede Hamburg und am Institut für Design Hamburg.
Im Jahr 2002 wurde er mit dem Literaturpreis der Stadt Hamburg ausgezeichnet. Matias Grzegorczyk ist Mitglied im Forum Hamburger Autoren.
http://www.matias-grzegorczyk.de
3938476125LeseprobeIch wickle das Besteck aus der Serviette und eine ruhige Stimme sagt: "Guten Morgen."
Ich drehe meinen Kopf nach links, sage: "Guten Morgen."
Er sitzt auf der Bettkante, vor seinem Frühstückstablett, sieht mir in die Augen und ich weiß sofort, was Spezialklinik bedeutet: sein Gesicht. Ich habe so etwas noch nie gesehen, ich kann es nicht anders sagen, sein Gesicht ist eine Maske mit Menschenhaut, eine fleischfarbene Maske, ich weiß nicht was es ist, weiß nur, diese Maske ist nicht abnehmbar.
Er hat keine Lippen, keine Nase, keine Augenbrauen, keine Wimpern, seine Augen sind kastanienbraun. Er hat einen Mund, aber keine Lippen und über diesem Mund hat er einen knopflochgroßen Höhleneingang, aber keine Nase. Seine schwarzen Puppenhaare sitzen wie ein Krankenkassentoupet eben sitzt.
"Hallo", sage ich.
"Warum Hallo? Du hast doch schon guten Morgen gesagt.
Besser, ich halte den Mund, schenke mir einen Kaffee ein und warte die paar Sekunden, bis die verantwortliche Schwester, dieses durch und durch schusselige Ding, reingestürmt kommt, um sich hysterisch dafür zu entschuldigen, dass ich hier im völlig falschen Zimmer bin."
