Maria Cambra Skadé | Akateeminen Kirjakauppa

Vom Mythos meiner Herkunft

Meinem Herkunftsmythos auf der Spur. Mich neu erfinden? Das Bild derjenigen enthüllen, die ich auf einer anderen Ebene bin. Dem nachspüren wohin ich mich gehörig fühle. Auch wenn es nicht in Urkunden oder Pässen dokumentiert ist, so ist es doch meine Wahrheit, ist es meine Heimat, sind es meine Familien und Clans, die ich finden werde. Was für eine Vorstellung, auf Ämtern danach gefragt zu werden, wo unsere mythischen Wurzeln liegen, wer unsere Seelenfamilie ist, damit es in Formularen eingetragen werden kann. Zwei Pässe, zwei Geburtsurkunden, ...

Etwas veränderte Fragen. Wohin will ich gehören? Ich tauche ein in tiefe Schichten, will meinen Herkunftsmythos an die Oberfläche holen, ihm Bilder geben, auch auf die Gefahr hin, daß ich mich vielleicht einer anderen als meiner Ursprungsfamilie nähere. Möglicherweise habe ich mich dort nie verstanden und fremd gefühlt. Vielleicht habe ich ursprünglich eine andere Hautfarbe und komme aus einem anderen Kulturkreis?

Alles darf sein und alles ist richtig. Ich lasse mich zurückfallen, gehe ich uralte Zeiten, reise durch Länder und Kontinente, besuche verschiedene Stämme, Gemeinschaften, spüre Städten nach, Dörfern, Landstrichen. Vielleicht werde ich auch alles selbst erfinden. Und ich beginne, ohne zu werten, Bilder zu malen, Worte niederzuschreiben für meine mythischen Wurzeln. Es ist eine lange, weite Reise durch vertraute Gegenden und fremde Länder. Ich gehe eine lange, bis ich irgendwann freudig über sanfte, grüne Highlands laufe. Der Blick kann weit übers Land schweifen, hält bei einer Steinformation inne, zieht weiter. Das Gefühl angekommen zu sein macht sich breit. Beheimatet bin ich, wenn ich über das hoch gelegene Hügelland gehe. Das Land selbst? Es liegt am Meer, alles weitere bleibt offen. Winter spielt eine große Rolle, die Vertrautheit in weißen Schneelandschaften. Stille und Weite, Zeit für Vogelflugbeobachtungen.

An einem klaren Hochlandsee erblicke ich mein Gesicht im Wasser. Ein Gesicht, in dem sich meine Seelenwurzeln wiederspiegeln. Ich gefalle mir. Gleich einem Puzzle fügen sich die Einzelteile zu einem Gesamtbild zusammen. Welche Düfte verströmt mein Herkunftsort? Schnell steigen Wurzeldüfte auf, Weihrauch, würzige Harze, Erdgerüche. Und die Farben meiner mythischen Heimat? Als erstes sehe ich den blauen bayrischen Himmel und muß lachen. Die satten grünen, endlos weiten Hügel, das Grau der Steine. In meinen Händen halte ich Erde in den warmen Rottönen der spanischen Meseta. Mit Rotholz und Krappwurz sind meine Kleider gefärbt. Die Wurzeln, die im dritten Jahr erst Verwendung finden, ein weiteres Jahr lagern, um das bereits viertausend Jahre alte, warme Rot ins Gewebe zu bringen. Bemalte Körper in Weiß, Rot und Schwarz tanzen im Freien. Es tauchen Worte auf aus alten Liedern, deren Melodie mir geläufig ist, deren Textfragmente ich aber mühsam, summend, zusammenbringen muß. Jodeln und Trillern vermischen sich auf komische Weise mit alten korsischen Liedern. In verschiedenen Sprachen höre ich mich sprechen, probiere aus, was mir vertraut erscheint. Pendeln zwischen weit Zurückliegenden und näherer Vergangenheit. Nach Tieren halte ich Ausschau, reite, laufe, versuche Instrumente zu spielen und besuche viel Häuser. Speisen werden gekostet, Pflanzen betrachtet und Ritualen wird beigewohnt. Nomadisches Leben spielt sich ab, Wanderinnengeschichten. Frauengemeinschaften und Frauenorte als Heimat. Manches ist nicht neu, wird nur bestätigt. Anders ist aufregend, unerwartet, vor allem, wenn ich es als meine mythischen Wurzeln zum Jetzt in Verbindung bringe. Es ist eine lange, spannende Forschungsarbeit. Eine Vielzahl von Bildern und Geschriebenen eröffnet neue Blicke auf den Mythos meiner Herkunft, in dem viele meiner Visionen wurzeln.

Ich lese, daß ich meine Verbindungen hüten soll, besonders die selbstgeschaffenen. Ja, das werde ich tun, als Schatzhüterin.