Ist die nationale Staatsbürgerschaft (Citizenship) ein Anachronismus? Zunehmend lässt sich in weiten Teilen der sozialwissenschaftlichen Debatte der Eindruck - winnen, dass die Institution der Staatsbürgerschaft nur noch ein Auslaufmodell ist. Sie scheint einer Zeit anzugehören, die unwiderruflich vorüber ist: In ihr hatten wir es mit einer Welt zu tun, die durch territoriale Grenzen in klar voneinander geschiedene Nationalstaaten gegliedert war; die Staaten regulierten nicht nur ihre jeweiligen nationalen Ökonomien, als Wohlfahrtsstaaten garantierten sie ihren Bürgern einen hohen Lebensstandard und sicherten sie gegen viel fältige Risiken. Die politische Gemeinschaft wurde als ethnisch und kulturell weitgehend homogen begriffen, und die bürgerlichen, politischen und sozialen Rechte der Staatsbürger galten in dieser Welt als Fundament prosperierender demokra tischer Geme- wesen. Ganz anders stellt sich das Bild heute dar: Globalisierung und Europäisierung haben Grenzen durchlässig und fließend werden lassen, die Bedeutung supranat- naler und internationaler Institutionen stellen die Bedeutung des Nationalstaates als institutionellen Rahmen der Staatsbürgerschaft in Frage, das Regime der M- schenrechte scheint universalistischer und zeitgemäßer zu sein als die nationale Staatsbürgerschaft; ethnische und kulturelle Heterogenisierung westlicher Gese- schaften stellen die angenommene nationale Identität ihrer Bürger in Frage. Wenn das die Situation ist, warum dann eine Einführung in die Soziologie der Staatsbürgerschaft? Der Grund dafür ist einfach: Die Zweifel an der fortbesteh- den Bedeutung der Staatsbürgerschaft, wenn nicht gar ihr Ende, werden nicht selten verkündet, ohne dass zuvor eine eingehende Auseinandersetzung mit ihrer Struktur undFunktionsweise stattfindet. Die Dynamik von Citizenship und ihre integrative Kraft bleiben zumeist im Dunkeln.