Die Hessische Verfassung von 1946 gewährt als älteste in Kraft befindliche Verfassung Deutschlands wertvolle Einblicke in die Ära des staatlichen Wiederaufbaus nach dem zweiten Weltkrieg. Einerseits hat sie in vielen Punkten den Text des späteren Grundgesetzes beeinflusst, andererseits steht sie mit ihrem sozialistischen Gesellschaftsentwurf unter Einschluss weit reichender sozialer Grundrechte und der Sozialisierung ganzer Wirtschaftsbereiche aber auch in deutlichem inhaltlichen Kontrast zum Grundgesetz. Unter Auswertung vieler bisher nicht berücksichtigter Archivquellen zeigt Martin Will, dass Grundlage der Verfassung ein eher neutraler, von Walter Jellinek geprägter Vorentwurf des Vorbereitenden Verfassungsausschusses war. Seine sozialistische Prägung erhielt der Text im Verfassungsausschuss der Verfassungberatenden Landesversammlung, in der SPD und KPD über eine Mehrheit verfügten und zugleich auf eine ihrerseits eher links stehende, von christlich-sozialen Idealen geprägte CDU trafen. Nach langen Bemühungen um eine von allen Fraktionen getragene Verfassung kam es im Verfassungsausschuss schließlich zum Zerwürfnis, woraufhin SPD und KPD ihre sozialistische Programmatik durchsetzten. In letzter Minute wurde schließlich doch noch der historische Verfassungskompromiss zwischen SPD und CDU erzielt, der die sozialistischen Weichenstellungen indes nur eingeschränkt korrigierte. Zudem führte die in nur wenigen Stunden ausgehandelte Vereinbarung zu Formelkompromissen im Verfassungstext, die bis heute - wie zuletzt im Fall der Studienbeitragsentscheidung des Hessischen Staatsgerichtshofs - die Gerichte beschäftigen.
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