Die Aufgabe, deren Loesung wir in der vorliegenden Arbeit versucht haben, besteht darin, die wesentlichsten litterarischen Denkmaler des 10. Jahrhunderts, historische und poetische, auf ihren kultur- und sitten, geschichtlichen Gehalt hin zu durchforschen und eine Darstellung des ge- wonnenen Materials zu geben. Es ist dabei ausschliesslich dasjenige Ge- biet der Kulturgeschichte berucksichtigt worden, welches sich mit den so- genannten Privataltertumern, den ausseren Bedingungen sowie den inneren Verhaltnissen des Lebens einer Zeit beschaftigt. Wirkhch anschauliche und eingehende Schilderungen der Art sind indessen nur dann moeglich, wenn fur die betreffende Periode das Werk eines fremden Schriftstellers vorliegt, der, wie Tacitus, die bezeichnenden Eigentumlichkeiten eines Volkes beschreibt, oder aber, wenn uns, wie fur das spatere Mittelalter, umfangreiche poetische Erzeugnisse zu Gebote stehen, deren Verfasser, ohne sich um die grossen geschichtlichen Ereignisse zu kummern, vielmehr die kleinen Dinge des Tages, das Oharakteristische in Sitte und Brauch und damit das allgemein Menschliche eines Zeitalters ins Auge fassen. Auf beides mussen wir fur die sachsische Kaiserzeit so gut wie ganzlich verzichten. Die einzigen uns erhaltenen groesseren Gedichte, das Walthari- lied und die Ecbasis captivi, gewahren verhaltnismassig sehr wenig An- haltspunkte. 'Wir sind somit in erster Reihe auf die historischen Quellen angewiesen. Aber auch diese fliessen hoechst durftig; sie sind geradezu armselig zu nennen, wenn man bedenkt, dass wir aus ihnen unsere Kenntnis von dem reichen Leben eines ganzen Jahrhunderts schoepfen sollen. Die Velfasser sind Geistliche, mit geistlichen Augen sehen sie die Welt an.